„The Gate“ habe ich dieses Jahr aus Kambodscha mitgebracht. Es sind Memoiren des französischen Ethnologen Bizot, der Anfang der 70er in die Hände der Roten Khmer fällt und im Gefangenenlager auf Duch, den späteren Leiter des Vernichtungslagers S21 trifft und eine persönliche Beziehung zu ihm aufbaut. Ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut – nicht zuletzt, weil es einen spannenden Bezug zur Gegenwart hat, wird doch dem Folterer Duch dieser Tage in Phnom Penh der Prozeß gemacht. Leider war es dann doch eher eine Enttäuschung. Vielleicht auch deswegen, weil die Erwartung aufgrund der vielen Vorschußlorbeeren zu hoch war. Tatsächlich sind die erste Hälfte des Buchs und der Epilog recht gut und spannend – hier beschreibt Bizot seine Gefangenschaft in Duchs provisorischem Camp (es handelt sich dabei NICHT um Tuol Sleng!) – auch wenn die Dialoge zwischen den beiden nicht so ergiebig sind, wie ich gehofft hatte. Die Ereignisse der zweiten Hälfte finden vier Jahre später in der französischen Botschaft in Phnom Penh während der Zeit der Eroberung und Besetzung der Stadt durch die Roten Khmer statt. Dieser Teil ist mühsam zu lesen und schlicht langweilig. Das Schicksal der privilegierten französischen Diplomaten geht einem nicht wirklich nah, da hilft auch die eine oder andere tragische Ausnahme nichts. Ich habe mich wirklich gefragt, wie die vielen guten Reviews zustande kommen.
Wer sich für Kambodscha oder das ehemalige Indochina interessiert, dem lege ich zwei andere Bücher ans Herz: Zum einen „Die Kinder der Killing Fields“ von Erich Follath, das eine hervorragende Übersicht über Kambodschas Geschichte und Politik bis zum heutigen Tag bietet, und zum anderen „Durch die Stille der Nacht“ von Daran Kravanh, in dem der kambodschanische Co-Autor uns an seinem tragischen Schicksal während der Herrschaft der Roten Khmer teilhaben lässt.
Einen Pluspunkt gibt es doch noch: „The Gate“ hat unbestritten eins der coolsten Covers dieses Jahres. Es ist übrigens nicht in deutsch erhältlich.
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